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© Michaela Greil/MIG-Pictures e.U., Michaela Greil

Expertin Polak: Theologie soll Akteurin im synodalen Prozess sein

Wiener Pastoraltheologin betont nach Konferenz über Theologie und Synodalität in Rom: "Theologie ist nicht die Beobachterin und Richterin, sondern aktive Akteurin, die beiträgt, dass Kirche ihre Sendung im 21. Jahrhundert identifiziert" - In Diskussionen über Kirchenreform auch in andere Erdteile blicken und "den Horizont weiten"

05.05.2023

Im weltweiten synodalen Prozess der katholischen Kirche soll die Theologie nicht nur Beobachterin, sondern auch Akteurin sein: Darauf hat die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress (Freitag) hingewiesen. Ziel der vom Papst initiierten Weltsynode sei ein Mentalitäts- und Kulturwandel und die Suche nach der Sendung der Kirche im 21. Jahrhundert im Hören auf den Heiligen Geist. Entsprechend sei Theologie auch ein Dienst am synodalen Prozess, - und zwar als Wissenschaft, die nicht im sprichwörtlichen Elfenbeinturm agiert, sondern vielmehr einen entscheidenden intellektuellen Beitrag zum synodalen Prozess leisten kann, so die Expertin.

 

Wo man schon synodal arbeite, interdisziplinär und transdisziplinär forsche und sich auch einbringe in kirchliche und gesellschaftliche Fragestellungen, sei man im Sinn der apostolischen Konstitution "Veritatis Gaudium" auf einem guten Weg, so Polak. Wie alle Katholiken müsse auch die Theologie im synodalen Prozess einen Wandel bzw. eine Haltungsveränderung vollziehen. "Der springende Punkt ist: Die Theologie ist nicht die Beobachterin und nicht die Richterin, sondern eine aktiv beteiligte Akteurin, die dazu beiträgt, dass die Kirche ihre Sendung im 21. Jahrhundert identifizieren kann." Die Theologie - das sei mit ein Anliegen von Papst Franziskus - solle "quasi eingebettet sein in die Kirchengemeinschaft und in die Gesellschaft" und auch Stimmen der Gläubigen zu innerkirchlichen Themen und der Gesellschaft wahrnehmen, sagte Polak. "Oft ist sie das ohnehin schon: Aber die Theologie könnte noch mehr eine Hörende werden."

 

Polak, die an der Universität Wien lehrt und auch dem "nationalen Synodenteam" der Kirche in Österreich angehört, äußerte sich im Nachgang zu einer dreitägigen internationalen Konferenz in Rom mit dem Titel "Theologie in der Herausforderung der Synodalität". In Vorträgen und Thesenpapieren diskutierten Theologinnen und Theologen aus mehreren Erdteilen dabei vergangene Woche an der Päpstlichen Universität Gregoriana Kriterien für die Aufgaben der Theologie für eine synodalere Kirche. Durch den internationalen Blick sei bei der Konferenz auch erneut sehr deutlich geworden, wie verschieden die Herausforderungen im Zusammenhang mit Kirche und Synodalität in Lateinamerika, Asien, Afrika, Europa oder Australien sind, berichtete Polak.

 

Zu den zahlreichen Vortragenden des hochkarätig besetzten Kongresses zählten unter anderem der französische Jesuiten-Theologe Christoph Theobald, die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens, der Münsteraner Theologe Michael Seewald, der Theologe Renato Repole von den Philippinen, die Osnabrücker Fundamentaltheologin Margit Eckholt oder der Generalsekretär der Bischofssynode, Kurienkardinal Mario Grech. Polak selbst zeigte in einem Vortrag bei der Konferenz am Beispiel der Migrationsforschung auf, wo Theologie im deutschsprachigen Raum bereits synodal arbeitet.

 

Synodale Kirche braucht Mentalitätswandel

 

Der in Paris lehrende Theobald habe in seiner Analyse zum Status quo und den Konversionsaufgaben der Theologie stark auf die prophetische Aufgabe der Theologie und die Notwendigkeit eines "stereophonen Hörens" - also auf Gott und auf die Anderen in Gesellschaft und Kirche, vor allem auf die Bedrängten - verwiesen, so Polak. Theologen müssten auf die "Zeiten der Zeit" achten, in ihren Beiträgen aber etwa auch dem Finden eines gemeinsamen Konsenses in der Kirche dienen. Unter zahlreichen weiteren Punkten warnte der französische Theologe vor Gefahren wie einer akademischen Isolation oder einer Entfernung vom Blick auf die reale Praxis in christlichen Gemeinden.

 

Mehrere Expertinnen und Experten sprachen bei der Konferenz auch über die Rolle des Kirchenrechts im synodalen Prozess. So habe die Kirchenrechtlerin Wijlens auf die zahlreichen im Kirchenrecht bereits bestehenden Möglichkeiten hingewiesen, die nur ausgeschöpft werden müssten, um Synodalität als Teilhabeform etwa auch für Frauen in der Kirche zu stärken. Plenarversammlungen, Diözesansynoden, Pastoralräte, Diözesanräte: all dies könne man forcieren, ohne irgendetwas am Kirchenrecht verändern zu müssen. Ohne eine generelle Veränderung hin zu einer synodalen Mentalität bei Bischöfen und Priestern genauso wie bei den Gläubigen, würde laut Wijlens aber selbst ein Synodalität noch viel mehr stärkendes Kirchenrecht nichts nützen: Die Bischöfe müssten teilhaben lassen und zuhören können, die anderen wiederum bereit und in der Lage sein, sich aktiv einzubringen.

 

Durchgängig sei bei der Tagung auch die Wichtigkeit von Bildung (formatio) herausgestrichen worden. Spirituelle, moralische und intellektuelle Konversion seien untrennbar miteinander verbunden, zitierte Polak im Kathpress-Gespräch aus dem Beitrag des Theologen Michael Seewald. Die Theologie habe in diesem Zusammenhang eine aufklärende Aufgabe. Kardinal Grech wiederum habe darauf hingewiesen, dass die Art, wie Theologie betrieben und gelehrt werde, entscheidend sei für die Förderung von Synodalität.

 

"Noch viel mehr voneinander lernen"

 

In der Weltkirche gebe es eine Vielfalt an unterschiedlichen Erfahrungen mit Synodalität und Methoden im synodalen Prozess, fasste Polak des weiteren die Theologen-Beratungen in Rom zusammen. "Da wäre es wirklich gut, noch viel mehr voneinander zu lernen", so die Wiener Theologin. So gebe es in Lateinamerika eine seit 1968, der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Medellín, bewährte synodale Praxis: "Da ist Synodalität als eine partizipatorische Praxis und eine Zusammenarbeit zwischen Theologie, Priestern und Bischöfen und den Laien einfach ziemlich normal."

 

Aus den Berichten aus Afrika wiederum sei deutlich geworden, dass dort Themen wie die Auswirkungen von Armut oder des Klimawandels im Synodalen Prozess deutlich präsenter waren als beispielsweise in Europa. "Man hat in Afrika die Erfahrung gemacht, dass schon die Aufforderung zur Teilhabe, also einfach auch einmal von Seiten der Gläubigen zu sagen, was die Menschen beschäftigt, viele wieder zur Kirche zurückgebracht hat."

 

Für Asien wiederum habe der philippinische Theologe Repole geschildert, dass die spirituelle Vertiefung, aber auch die Frage der Armen im bisherigen synodalen Prozess im Zentrum stand. "Die Rechte der Armen zu benennen und die Armen als Teil der Kirche und der Gesellschaft auch wahrzunehmen - das ist auch ein Aspekt, der bei uns in Europa in dieser Deutlichkeit so nicht vorgekommen ist", hielt Polak fest. Im sogenannten Globalen Süden, wo Armut massiv präsenter ist, habe die Kirche bei sozialen Herausforderungen auch eine andere Rolle.

 

Andere Themen wiederum hätten sich wie ein roter Faden durch alle synodalen Beratungen auf den verschiedenen Kontinenten durchgezogen. "Das ist das Frauenthema und generell die Frage der Förderung der Teilhabe der Laien am kirchlichen Leben." Diese Themen seien zwar in den jeweiligen Kontexten verschiedener Weltregionen gefärbt, aber nicht nur, wie gerade von Rom oft vorgebracht, bloß für Gläubige im Westen wesentlich. Insofern könne, wer auf einen breiteren, globalen Blick setze, auch die Frauenfrage in der Kirche anders diskutieren, so Polak.

 

Große Ungleichzeitigkeit

 

Insgesamt zeige der synodale Prozess in der Kirche auch eine große Ungleichzeitigkeit vieler Weltregionen auf. "Die hat mit vielen geschichtlichen, kulturellen und mit politischen Dimensionen zu tun. Aber sie hat eben auch mit der Theologie zu tun", sagte Polak. Theologisch aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil heraus sozialisiert, habe etwa sie selbst schon vor zwei Jahrzehnten im Theologiestudium gelernt, wie synodales Handeln theologisch begründet wird, schilderte die Wiener Theologin. "Aber das ist bei vielen Personen und auch in manchen Regionen einfach noch nicht angekommen."

 

Polak zitierte dazu Michael Seewald mit dessen Aussage, wonach man eigentlich die "konservativste Kirchenreform aller Zeiten" vor sich habe. "Weil Papst Franziskus nicht nur das Zweite Vatikanische Konzil weiter implementieren möchte, sondern quasi eine Existenzweise, eine Lebensform auch der jungen Kirche für das 21. Jahrhundert wieder in Erinnerung rufen und beleben will", erklärte Polak. "Dass das natürlich in einer Weltkirche mit vielen Millionen Katholiken im 21. Jahrhundert unter globalen Verhältnissen komplizierter ist als in der jungen Kirche, ist logisch. Aber die Theologie hat da wirklich eine wichtige Rolle."

 

Gegen den synodalen Prozess gebe es auch Widerstand; "das ist kein Geheimnis", erinnerte Polak. "Da ist ganz besonders die Theologie aufgefordert, hier Argumente zu formulieren, zum Beispiel inwiefern der synodale Prozess eine Tradition in der Geschichte der Kirche hat." Zugleich seien auch die Bischöfe angehalten, auf die Theologie zu hören.

 

"Den Horizont weiten"

 

"Papst Franziskus bremst meinem Eindruck nach auch deswegen bei manchen Themen, weil er eigentlich will, dass wir einen Mentalitätswandel vollziehen. Und dass die erste Frage eben nicht immer nur die ist: Wie ist das jetzt mit den kirchenpolitischen Konsequenzen?", erklärte Polak. Der Papst setze auf eine andere Haltung, aus der heraus man dann die schwierigen Fragen diskutiere, um sie im weiteren entscheiden zu können. "Diesen Zugang muss man in unseren Breitengraden vielfach erst verstehen lernen."

 

"Und bei uns ist es zudem wichtig, dass wir auch den Horizont weiten", fügte die Wiener Theologin hinzu. "Es gibt nicht nur den deutschsprachigen Raum." Im Vergleich der Bevölkerungs- und auch Katholikenzahlen sei Europa wirklich klein, erinnerte Polak. "Die katholische Kirche ist mehrheitlich eine Kirche des Globalen Südens, und da haben wir als Europäer, als europäische Kirche eine besondere Verantwortung. Und das kommt mir in unseren Diskursen viel zu kurz, noch dazu in einer Zeit, wo die Welt mit so vielen Krisen konfrontiert ist."

 

 

Quelle: kathpress

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