
Erzbischof Lackner ruft zur Hilfe für Karabach-Armenier auf
Zur verstärkten Hilfe für die aus Berg-Karabach (Artsach) vertriebenen Armenier hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner aufgerufen. In der aktuellen Ausgabe des Magazins "Information Christlicher Orient" zeigt sich Lackner einmal mehr erschüttert über die Vertreibung der Karabach-Armenier durch Aserbaidschan. Über die Vertreibung der Menschen hinaus stehe nun aber auch das christliche Erbe Artsachs vor der Auslöschung. "Kirchen und Friedhöfe sind nun gleichsam die letzten Zeugen armenisch-christlicher Präsenz, ihr Fortbestand ist nun ungewiss", schreibt Lackner in seinem Grußwort.
Und der Erzbischof hält weiter fest: "Armenien braucht nun mannigfache Hilfe und Unterstützung. Nicht nur muss den 110.000 aus Artsach Vertriebenen eine neue Existenz geboten werden, es besteht auch die große Sorge, Aserbaidschan könnte in einem erneuten kriegerischen Akt einen Korridor zur Exklave Nachitschewan schließen."
Zudem müsse es das Anliegen aller Christinnen und Christen sein, "das Erbe Artsachs und seiner in früheste Zeiten der Glaubensverbreitung zurückweisenden Geschichte nicht zur bloßen Erinnerung werden zu lassen, sondern entschieden mit allen verfügbaren Mitteln für seinen Erhalt einzutreten". Ebenso brauche es aber auch einen "gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan".
Heftige Kritik an Russland
Die aktuelle Situation in Armenien bzw. in Berg-Karabach ist das Schwerpunktthema in der Jänner-Ausgabe des ICO-Magazins. Der Wiener armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan übt darin u.a. auch heftige Kritik an der Internationalen Staatengemeinschaft und Russland.
Am 19. September 2023 hatte Aserbaidschan die armenische Enklave Berg-Karabach mit überlegenen militärischen Mitteln angegriffen. Schon nach einem Tag war der Krieg entschieden. Gut 300 armenische Soldaten waren dabei ums Leben gekommen, auch zivile Opfer waren zu beklagen. Dem Angriff vorausgegangen war eine rund neun Monate dauernde Totalblockade Berg-Karabachs durch Aserbaidschan. Mehr als 110.000 Armenier mussten schließlich im September 2023 über Nacht ihre Heimat verlassen, rund 5.000 kirchliche Güter und Kunstschätze blieben schutzlos zurück. Petrosyan zeigt sich gegenüber dem ICO-Magazin überzeugt: "Das war eine von langer Hand vorbereitete gemeinsame Aktion Aserbaidschans, der Türkei und Russlands." Die Waffen armenischer Soldaten von Berg-Karabach würden jetzt von Russland gegen die Ukraine eingesetzt.
Petrosyan sieht in der im Dezember 2022 verhängten Blockade des Latschin-Korridors, der einzigen Verbindung von Berg-Karabach zur Außenwelt, ein Vorspiel zum militärischen Angriff im September 2023 und der Kapitulation der Artsacher Regierung unmittelbar danach. Russische Friedenstruppen waren vor Ort. Die Russen hätten Möglichkeiten zur Versorgung der eingeschlossenen Armenier gehabt, agierten jedoch als "Zuschauer", nicht "Friedenstruppen", als die aserbaidschanischen Truppen angriffen.
Doch auch die Passivität der internationalen Organisationen sei für ihn enttäuschend, so der Bischof. UNO und OSZE hätten "nur leere Aussagen" gemacht, etwa mit dem Vorschlag, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, doch ihre Mandate zur Verhinderung von Konflikten nicht genutzt. "Das ermutigt die Aggressoren, weil sie unbestraft bleiben." Die betroffenen Menschen fühlten sich abgesehen von humanitärer Hilfe "im Stich gelassen". Heute müsse man bedauerlicherweise sagen: "Zusammenarbeit und Sicherheit gibt es in Europa nicht mehr."
Die bis zu 110.000 Vertriebenen wurden von der Republik Armenien aufgenommen. Bischof Petrosyan lobt das Engagement seiner Landsleute für die vielen Flüchtlinge. "Es gibt kein einziges Flüchtlingslager." Klöster, Kirchen und Privatleute würden ganze Familien aufnehmen. Die armenische Diaspora leiste ebenfalls kräftige Unterstützung. Besonders dankbar zeigt sich der Bischof auch für viele weitere "Solidaritätsaktionen" und verweist auch auf die Bischofskonferenz in Österreich, die ihn zu ihrer jüngsten Herbstvollversammlung eingeladen habe, um über die aktuelle Lage zu berichten.
Rückkehr der Flüchtlinge unrealistisch
Drastisch schildert der Bischof das triste Los der Karabach-Armenier. Diese hätten nach dem Angriff Aserbaidschans zwei Möglichkeiten gehabt: "Sterben oder flüchten." Dass die Geflüchteten in ihre Heimat zurückkehren, hält der Bischof für unrealistisch. Er verweist u.a. auf die Bedingung Aserbaidschans, dass die Menschen zuvor die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft annehmen müssten.
Zu erwarten, dass Karabach-Armenier eine aserbaidschanische Staatsbürgerschaft annehmen und im Ernstfall gegen Armenier kämpfen, sei eine verrückte Idee. Dass Artsach überhaupt zu Sowjet-Zeiten der Sowjet-Republik Aserbaidschan zugeschlagen wurde, gehe auf Josef Stalin zurück. "Natschitschewan und Berg-Karabach waren Geschenke Stalins an Aserbaidschan", so Bischof Petrosyan. Es bestehe die Gefahr, dass die christlichen und armenischen Spuren ausgelöscht werden.
Quelle: kathpress