NGOs kritisieren Rot-Weiß-Rot-Karte für Ukraine-Vertriebene
Caritas und Diakonie sehen im Vorhaben der Bundesregierung, die "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" für Vertriebene aus der Ukraine zu öffnen, ein wenig treffsicheres Mittel um einen dauerhaften Aufenthalt zu gewährleisten. Der Umstieg auf reguläre Aufenthaltstitel für ukrainische Vertriebene bleibe für den Großteil der Vertriebenen ungeklärt, der am Mittwoch präsentierte Beschluss könne als "nur Teil einer umfassenderen Lösung sein", betonte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler in einer ersten Reaktion. Ähnliche Worte fand Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. "Das neue Gesetz schließt die meisten Ukraine-Vertriebenen aus", wer wegen Kinderbetreuungspflichten, Krankheit oder Alter nicht arbeiten kann, bekomme keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, kritisierte sie.
Die entsprechende Verständigung in der Regierung hatten Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) nach dem Ministerrat am Mittwoch verkündet. Praktisch bedeutet die Einigung, dass auch nach Auslaufen der aktuellen EU-Regel 2025 ein freier Arbeitsmarktzugang besteht. Beantragen können die "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" nur jene Ukrainerinnen und Ukrainer, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest zwölf Monate gearbeitet haben.
"Die heute präsentierte Umstiegsmöglichkeit betrifft nur eine sehr kleine Gruppe, die die Voraussetzungen für die Rot-Weiß-Rot-Karte plus erfüllt. Wir brauchen aber sichere Perspektiven für alle Vertriebenen aus der Ukraine", so Caritas-Präsidentin Tödtling-Musenbichler. Es gelte, Menschen mit Schutzstatus dringend die geeigneten Rahmenbedingungen für eine Integration zu bieten. "Die Grundversorgung ist nicht auf einen Daueraufenthalt ausgelegt. Sie wirkt integrationshemmend und deckt Grundbedürfnisse finanziell nicht ab", betonte die Caritas-Chefin. "Raus aus der Warteposition der Grundversorgung, rein in die Sozialhilfe muss das Motto also lauten", erklärte sie.
Erst mit einem Aufenthaltstitel, der auch nach März 2025 einen Verbleib in Österreich ermögliche, könnten Arbeits- und Mietverträge geschlossen werden und es gebe einen verstärkten Anreiz, mehrjährige Ausbildungen und aufwändige Nostrifizierungsprozesse zu beginnen, so Tödtling-Musenbichler weiter. "Wir müssen allen aus der Ukraine vertriebenen Menschen eine langfristige Perspektive hier in Österreich bieten, damit sie in den Arbeitsmarkt einsteigen können und diesem mit ihren Qualifikationen zur Verfügung stehen." Österreich brauche qualifizierte Arbeitskräfte, "und diese sind hier", stellte sie fest.
Weiters verkenne die Regelung, dass es sich bei ukrainischen Vertriebenen um Personen mit Schutzstatus handele: "Die Menschen aus der Ukraine sind aufgrund des Kriegs nach Österreich geflohen und haben hier Schutz gesucht. Man kann an sie nicht dieselben Anforderungen stellen wie an Personen, die zwecks Arbeitsleistung nach Österreich einreisen möchten und sich gezielt darauf vorbereiten konnten", so die Caritas-Präsidentin. "Wir wissen, dass die Mehrheit der ukrainischen Vertriebenen in Österreich bleiben möchten, und wir müssen daran denken, dass gerade die alten und kranken Menschen nicht in die Ukraine zurückkehren können."
Neues Gesetz schließt viel Frauen aus
"Der Gesetzesvorschlag wird vielen Menschen aus der Ukraine - vor allem Frauen, die wegen Kinderbetreuungspflichten, Krankheit oder Alter nicht Vollzeit arbeiten können - keine Perspektive bieten", kritisierte Diakonie-Direktorin Moser. Die Frage nach der Integration geflüchteter Menschen als eine arbeitsmarktpolitische zu sehen, ist für Moser "der völlig falsche Ansatz, denn es geht nicht um Arbeitsmigrantinnen und -migranten, die aus Nicht-EU-Ländern zuwandern wollen, sondern um Kriegs-Flüchtlinge." Zu diesen zählten auch Kranke, Verletzte und Frauen mit Kindern. "Für diese bietet der vorliegende Vorschlag keine Lösung. Es ist ein Gesetz für ganz wenige."
Laut aktuellen Zahlen waren Mitte Februar 2024 16.729 Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich vollversichert beschäftigt. Von diesen Personen können nur jene in die heute Lösung umsteigen, die bereits ausreichend verdient haben - in etwa 1.200 Euro netto nach Abzug von Miete und anderen Aufwendungen für einen Erwachsenen - konkret mindestens zwölf Monate in den letzten 24 Monaten gearbeitet haben und Deutschkenntnisse auf A1-Niveau nachweisen können. "Diese Bedingungen treffen nur auf wenige Menschen zu, wir brauchen aber eine Lösung für die gesamte Gruppe der ukrainischen Vertriebenen", so Caritas-Präsidentin Tödtling-Musenbichler.
"Man muss sich fragen, warum diese Hürden so hoch liegen", so Tödtling-Musenbichler. Das verlangte Einkommen liege deutlich über dem monatlichen Durchschnittseinkommen in Österreich von 2.568 Euro brutto beziehungsweise 1.902 Euro netto. "Zieht man davon noch Miet- und Fixkosten ab, bleiben sicher weniger als die erforderlichen 1.200 Euro übrig", rechnete sie vor. Die verlangten Deutschkenntnisse für den Umstieg seien ebenfalls zu hinterfragen: "In vielen Branchen, beispielsweise in der IT, sind Englischkenntnisse ausschlaggebend", diese würden allerdings nicht angerechnet, so die Caritas-Präsidentin.
Aufgrund aktueller Prognosen geht die Regierung davon aus, dass von der Zulassung zur "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" mehr als 7.000 vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich profitieren werden. 49.000 Vertriebene im erwerbsfähigen Alter dürften aktuell in Österreich wohnhaft sein.
Für jene Gruppen, die dem Arbeitsmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung stehen, werde noch nach einer dauerhaften Lösung gesucht, betonte Sozialminister Rauch. Arbeitsminister Kocher gehe davon aus, dass im Falle der Fortsetzung des Krieges ohnehin eine weitere europäische Regelung kommen werde. Ansonsten werde man national vorsorgen.
Quelle: kathpress