"Zukunftsraub" an arbeitslosen Jugendlichen in EU
In der EU wird derzeit ein "Zukunftsraub" an arbeitslosen Jugendlichen betrieben, angesichts dessen die politisch Verantwortlichen gehörig "die Ärmel aufkrempeln müssen": Das betonte Caritas-Präsident Franz Küberl am Donnerstag beim Pfingst-Dialog im südsteirischen Bildungszentrum Schloss Seggau über die Vision von "Vereinigten Staaten von Europa". Angesichts von rund 50 Prozent betroffenen Jugendlichen in den Mittelmeerländern der Union bekräftigte er die mehrfach geäußerte Caritas-Überzeugung: "Die EU muss auch eine Sozialunion sein, oder sie wird nicht mehr sein."
Küberl erinnerte bei einem Podiumgespräch zum Thema "Zusammenhalt oder Zerfall" der EU an ein jüngstes Treffen von EU-Innenministern, bei dem Maßnahmen gegen Armutsmigration erörtert wurden; besser sei ein Treffen der Sozialminister, um Schritte zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in die Wege zu leiten. Trotz rettender Finanzspritzen der EU etwa in Griechenland oder Zypern würde dieser soziale Aspekt zu sehr vernachlässigt, und gerade den "kleinen Leuten" in den Krisenländern würden enorme Bürden aufgelastet. Küberl wörtlich: "Wer entsprechende Informationen hat, räumt sein Geld auf die Seite, büßen müssen dann die anderen."
Die EU habe sich das Ziel gesetzt, bis 2020 die Armut in ihrem Bereich zu halbieren. Ansätze dazu könne er jedoch noch nicht erkennen, beklagte der Caritas-Chef. Küberl unterstrich, dass es einem EU-Mitgliedsland nicht egal sein könne, wie die soziale Lage in seinem Nachbarstaat ist. Sein Appell: "Nur miteinander können wir Zukunft erleben, nicht gegeneinander."
Mit Küberl diskutierten Nationalbank-Präsident Claus Raidl, Grün-Politiker Alexander Van der Bellen, Gertrude Tumpel-Gugerell, bis 2011 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, und WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller.
Kommt "Union der Gierigen und Geizigen"?
Raidl äußerte die Befürchtung, es drohe eine Entwicklung zu einer "Union der Gierigen und Geizigen". Derzeit sei die Währungsunion als Kernprojekt der europäischen Integration bedroht, wogegen nur das Abgeben von Kompetenzen der Nationalstaaten an Brüssel helfen könne. Doch Wahlen werden laut Raidl heute in ganz Europa nur mehr mit Slogans gegen die EU gewonnen, und auf Europa-Ebene herrsche die Innenpolitik der Nationalstaaten vor.
Ähnlich argumentierte der Volkswirtschaftler van der Bellen: Es mangle an tauglichen Entscheidungsstrukturen in der EU. Umgelegt auf Österreich sei die EU-Struktur derzeit so, dass die Landeshauptleutekonferenz die entscheidende gesetzgebende Instanz sei, gebildet von Leuten, die in ihrem jeweiligen Land wiedergewählt werden sollten und dementsprechend agierten. Die Zeit des Übergangs von der Weimarer Republik zum NS-Regime sei von einem Journalisten mit dem Satz beschrieben worden: "Wir hatten zwar eine Demokratie, aber zu wenige Demokraten." Er, van der Bellen, hoffe nicht, dass es im Blick auf die heutige Situation in Europa einmal heißen wird: "Wir hatten zwar eine Europäische Union, aber zu wenige Europäer."
Bei einer Gesprächsgruppe beim Seggauer Pfingst-Dialog zum Thema "Geschichte & Religion" mit vielen studentischen Teilnehmern wurde mehrfach auf einen hoffnungsvollen Aspekt der europäischen Entwicklung aufmerksam gemacht: Die heutige Jugend in Europa könne viel ungehinderter als frühere Generationen grenzüberschreitende Lernerfahrungen machen. Das Erleben anderer Sprachen, Denkweisen und Kulturen werde sich langfristig integrativ auswirken, so der Tenor. Immer mehr Menschen auf dem Kontinent würden in Zukunft aus Überzeugung sagen: "Ich bin ein Europäer."
Quelle: Kathpress