Caritas und Diakonie: kein "Asylnotstand"
Kritik am Begriff "Asylnotstand", vor dem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Dienstag gewarnt hatte, üben die Chefs von Caritas und Diakonie, Michael Landau und Michael Chalupka: "Wer Asylnotstand sagt, sagt auch, dass es Politiknotstand und Politikversagen gibt", merkte der Caritas-Präsident im "Kurier" (Mittwochausgabe) an. Er würde sich in der Asylfrage "mehr Leadership" und Orientierung an der "unglaublichen Hilfsbereitschaft und Solidarität" der Bevölkerung angesichts der Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen wünschen. Dort betreibe die Caritas seit zwei Wochen das Hilfsprojekt "Omni.Bus", führte Landau via Facebook aus. Hunderte Freiwillige würden sich für Sachspenden und Willkommenspakete für die Flüchtlinge engagieren.
Die Lage im weiterhin dramatisch überfüllten Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nannte Landau eine "Niederlage für die Menschlichkeit". Bei einem Besuch am Dienstag habe er gesehen, dass Frauen und ihre Kinder ohne Dach über dem Kopf unter Bäumen schlafen müssten. Kinder würden ihre Habseligkeiten in einem kleinen Wagen hinter sich herziehen. "Das sind Bilder, die ich sonst nur aus internationalen Flüchtlingssituationen kenne", so Landau auch im Interview mit "Radio Vatikan".
Im "Kurier" äußerte er die Sorge, "dass mit den Bildern der hier sichtbaren Not Politik gemacht werden soll, sowohl in Europa als auch in Österreich". Es mangle an Verbindlichkeit, "wenn Menschen unversorgt obdachlos sind und zwei Drittel der Gemeinden niemanden unterbringen".
Leid nicht politisch instrumentalisieren
Für "sehr problematisch" hält Landau den Rückzug der Innenministerin bei der Flüchtlingsquote und der europäischen Solidarität, die sie zuvor monatelang gefordert hatte. Dem Argument, Menschen kämen nach Österreich, weil es ein attraktives Flüchtlingsland sei, kann er nichts abgewinnen: "Menschen aus Syrien fliehen nicht nach Österreich, weil es so schön ist, sondern weil man ihnen in der Heimat den Kopf abschlägt." Trotz der angespannten Lage in Österreich warnte der Caritas-Präsident vor einer politischen Instrumentalisierung des Leids der Flüchtlinge.
Diakoniedirektor Michael Chalupka fragte sich angesichts von Mikl-Leitners "Asylnotstand"-Diagnose, ob sie Österreich damit "auf eine Ebene mit Griechenland und Italien stellen" wolle. Wenn die Innenministerin allerdings mit Asylnotstand "ein multiples Versagen staatlicher Organe" meint, dann müsste ein mit Kompetenzen ausgestatteter Regierungskommissär die Flüchtlingsagenden übernehmen, schlug Chalupka im "Kurier" vor. Jede Woche komme von der Ministerin ein neues Schlagwort. "Aber was ist ihr Plan?", so Chalupka. Unverständnis äußerte auch er über den Schwenk bei der EU-Quote für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Solidarität der Bevölkerung macht zuversichtlich
Zuversichtlich macht Landau die große Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Es gebe in Österreich ungenutztes Potential, aber auch positive Veränderung, die sich bereits jetzt beobachten ließen, so Landau am Rande eines Aktionstags zum Start der "Sauren Gurken"-Kampagne am Mittwoch in Wien. An Politikvertreter appellierte er, sich von dieser Solidarität und Hilfsbereitschaft "inspirieren zu lassen". Die Situation in Österreich beschrieb Landau als "es ist nicht alles gut, aber auch bei weitem nicht alles schlecht". Trotzdem dürfe die Regierung nicht vergessen, "ihre Hausaufgaben zu machen", denn noch immer brächten zwei Drittel der Gemeinden keine Flüchtlinge unter. Er forderte einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und der Zivilgesellschaft.
Beeindruckt zeigte sich der Caritas-Präsident vom Engagement der Kirche und verwies auf die Diözese Eisenstadt, die bis Jahresende 200 Flüchtlinge in Pfarren unterbringen will. "Ich würde mir wünschen, dass alle Diözesen dem Beispiel folgen." Grundsätzlich sei er davon überzeugt, dass es innerhalb der Kirche viel Potential gebe, "diesen guten Willen gilt es jetzt abzuholen".
Hilfe in Österreich alleine genüge aber nicht. "Wer wirklich helfen möchte, muss in den Heimatländern ansetzten, in den betroffenen Regionen bei den Menschen direkt." Denn, "wenn die Menschen eine Chance in ihrer Heimat haben, wollen sie auch dort bleiben". An einer Stärkung der internationalen Hilfe und mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union führe deshalb kein Weg vorbei.
Schweifer: EZA-Mittel erhöhen
Mehr Solidarität der Bundesregierung forderte Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer bei der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds ab 2016 sei zwar ein erster positiver Schritt, in den nächsten Budgetverhandlungen müsste aber endlich das Versprechen nach einer Erhöhung der EZA-Mittel eingelöst werden.