Im Griff von Schulden und sozialen Nöten
Die Staatsschulden der Philippinen machen rund 36 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. Was auf dem Papier nach nicht viel aussieht - in Österreich sind das rund 80 Prozent -, wirkt sich im Alltag der Bevölkerung aber gravierend aus. 75 Prozent des Budgets pumpt die Regierung jährlich in die Schuldenbegleichung; für Investitionen im öffentlichen Bereich bleibt da kaum Geld. Der Sparkurs trifft vor allem den Bildungs- und Gesundheitsbereich. Die 58-jährige Yuen Abana kämpft seit ihrer Jugend für mehr soziale Gerechtigkeit. Auf Einladung der Katholischen Frauenbewegung (kfb) ist die Philippina zurzeit auf Österreich-Besuch und vertritt hier die Anliegen der "Aktion Familienfasttag".
Yuens Eltern konnten sich den Schulbesuch der sieben Kinder noch leisten, was heute nicht mehr denkbar wäre. Die Privatisierungswelle vieler Schulen hat das öffentliche Bildungssystem fast zum Verschwinden gebracht. "Übrig geblieben sind teure Privatschulen, die sich die wenigsten leisten können", gibt die Aktivistin gegenüber "Kathpress" Einblicke in das System vor Ort. Geht die Entwicklung weiter wie bisher, "wird die Analphabeten-Rate massiv steigen".
Ein ähnliches Bild zeigt das Gesundheitssystem des Landes. Die Zustände in öffentlichen Spitälern beschreibt Yuen als "unvorstellbar". Oft teilen sich fünf Frauen nach der Geburt ein Spitalsbett, "quer auf dem Bett liegend wie Sardinen". Der Aufenthalt sei teuer, "das einzige, was du nicht zahlen musst, ist das Bett". An eine baldige Besserung glaubt die Aktivistin nicht. Statistische Daten unterstützen die Befürchtung Yuens: Die Investitionen im Gesundheitsbereich stagnieren seit 2000 bei rund 1,5 Prozent.
Gegen die mit der Schuldenrückzahlung verbundene Sparpolitik macht die aus rund 200 Organisationen bestehende "Freedom From Debt Coalition" (FDC) mobil. Yuen ist FDC-Führungsmitglied, Gemeindesprecherin für Frauen auf dem Arbeitsmarkt und Aktivistin der Arbeiterpartei. Sie geht in Fabriken, um die Frauen darin zu stärken, selbst für ihre Rechte einzutreten, spricht mit Regierungs- und Wirtschaftsvertretern. Während der Herrschaft des Diktators Ferdinand Marcos musste die Aktivistin sogar untertauchen. Nonnen hätten sich damals um sie gekümmert.
Ihre Sorge gilt vor allem den Frauen, die die Sparpolitik und das patriarchale Gesellschaftssystem zu den großen Verlierern gemacht hätten. "Es sind die Frauen, die hungern, damit sie die Kinder füttern können, die gefeuert werden, sobald sie schwanger sind, die kaum eine Chance auf Bildung haben und von Männern unterdrückt werden." In ihrer täglichen Arbeit "an der Front" möchte Yuen Frauen jenes Selbstbewusstsein weitergeben, das sie selbst als Aktivistin über die Jahre aufgebaut hat. "Ich ermutige Frauen, nicht länger unsicher zu bleiben, sondern erfahren mit den Dingen zu sein, die uns betreffen."
Der Großteil der Schulden stammt noch aus der Zeit der Marcos-Diktatur. Ihm wird nachgesagt, seinem Land während seiner 21-jährigen Herrschaft von 1965 bis 1986 zehn Milliarden Dollar gestohlen zu haben. Einen 5,5 Milliarden-Dollar-Kredit gewährte ihm der Internationale Währungsfonds, hinzu kamen Kredite anderer ausländischer Geber im Gegenwert von 3,5 Milliarden Dollar. Der FDC und große Teile der Bevölkerung bezweifeln deshalb die Rechtmäßigkeit der Schulden. 2008 hatte der philippinische Kongress die Aussetzung der Rückzahlung von elf illegitimen Darlehen beschlossen. Doch die Entscheidung wurde auf Druck des IWF auf die damalige Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo rückgängig gemacht.
Für Yuen sitzen die Schuldigen aber nicht nur in der philippinischen Regierung. Internationale Kreditgeber knüpften neue Kredite oft an gezielte Sparmaßnahmen, "die meistens eben die Bevölkerung treffen". Die Maßnahmen machen sich nicht nur im Gesundheits- und Bildungsbereich sondern auch im Energieversorgungssektor bemerkbar. "Mittlerweile haben die Philippinen den höchsten Strompreis in ganz Asien."
In den letzten zehn Jahren hat sich der Schuldenstand des Landes deutlich reduziert - von 58,8 Prozent des BIPs im Jahr 2000 auf rund 36 Prozent 2015. Naturkatastrophen wie der Taifun Haiyan drohen die Fortschritte nun wieder zunichte zu machen. Der Taifun hatte am 8. November 2013 Häuser, Infrastruktur und 600.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche vernichtet und das Land erneut zu Millionen-Krediten gezwungen; und die Aussichten stehen schlecht: Das Land wird jedes Jahr durchschnittlich von acht Taifunen heimgesucht; Tendenz steigend.
Quelle: kathpress