Wodak für neue Solidarität gegen "Politik der Angst"
Für eine Rückbesinnung auf europäische Werte wie Solidarität als Widerstand gegen eine von rechtspopulistischen Parteien forcierte "Politik der Angst" plädiert die österreichische Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak. Die Werte der Aufklärung und der jüdisch-christlichen Vergangenheit seien zentral für Europa, sagte Wodak in einem Interview für die aktuelle Juli-Ausgabe der von der Katholischen Frauenbewegung Österreich herausgegebenen Zeitschrift "Welt der Frau". Zeitgemäß ausgelegt wäre Solidarität daher auch "kein altmodisches Konzept, vor allem nicht angesichts einer Tradition, die stark auf Nächstenliebe setzt". Nächstenliebe könne sich dabei nicht nur auf den unmittelbaren Nachbarn beschränken, spielte Wodak auf die Flüchtlingsdebatte an.
Man erlebe derzeit eine starke Ökonomisierung des europäischen Projekts, warnte die Sprachwissenschaftlerin. Alles drehe sich nur um Geld, auch die Flüchtlinge würden "wie Waren hin- und hergeschoben", so die für ihre Diskursanalysen bekannte Wissenschaftlerin: "Ich halte das für gefährlich."
In ihrem aktuellen Buch "Politik mit der Angst" analysiert die emeritierte Linguistik-Professorin, die an der Universität Wien und der britischen Lancaster-Universität gelehrt hat, wie rechtspopulistische Parteien mit Hilfe ihrer rhetorischen Strategien zu einflussreichen Faktoren der Politik geworden sind.
Als ein wichtiges Charakteristikum macht die Forscherin dabei die "recht flexible Auslegung" aus, mit der Rechtspopulisten definierten, wer zum Volk dazugehört, "und wer draußen bleiben muss". Zwar sei gegen ein Traditionsbewusstsein, das auch andere Werte akzeptiere, nichts einzuwenden. "Die Gefahr liegt im Dogmatismus", warnte Wodak. Es sei bedenklich, "wenn eine Partei versucht, die Gesellschaft (...) auf bestimmte Eigenschaften und Mitglieder zu reduzieren, und andere ausgrenzt, wenn sie also rigide ideologische Wertungen setzt".
"Typisches Sündenbockmuster"
Aktuell werde zudem "eine starke Konfrontation inszeniert", in der Flüchtlinge und Migranten im Sinne als große Bedrohung von außen erschienen. Für Wodak eine Methode nach dem typischen Sündenbockmuster, bei dem Phänomene übersteigert dargestellt und ein simpler Verursacher festgemacht werden. Zu Sündenböcken würden dabei mal "die Türken, dann sind es Migranten insgesamt, dann sind es die Flüchtlinge - und vorher waren es die Juden oder die Roma".
Um der "Politik der Angst" etwas entgegenzusetzen, müssten diese simplen Denkmuster durchbrochen werden. "Wir leben in schwierigen Zeiten, das soll man nicht leugnen. Aber für schwierige Probleme gibt es keine einfachen Lösungen", sagte Wodak. Sie hofft zudem auf eine weniger skandalorientierte Berichterstattung in den Massenmedien.
Quelle: kathpress