Scheuer: Religionen in Bezug auf Krieg und Frieden "ambivalent"
Auf die "ambivalente Rolle" der Religionen in Bezug auf Krieg und Frieden hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer hingewiesen. In der Geschichte gebe es beide Phänomene: Im Ersten Weltkrieg hätten die Soldaten Für Gott, Kaiser und Vaterland gekämpft, auch für Kriege im Irak oder in Syrien werde mit "Gott" argumentiert, sagte Scheuer am Mittwoch beim Ökumene-Empfang im Garten des Linzer Bischofshofes. Auf der anderen Seite stehe die klare Friedensbotschaft Jesu und auch das Selbstverständnis der Kirche als "Gottes Friedensbewegung auf Erden", als Zeichen der Einheit und der Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott."
Es gebe keine Religion, auch keine Weltreligion, die in ihrer Beziehung zu Gewalt und Krieg von Zweideutigkeit frei wäre, erklärte Scheuer. Übersehen werde oft, dass Religionen im Lauf der Geschichte "enorme Dienste für den Frieden" erbracht hätten. Gleichzeitig wies der Bischof darauf hin, dass ab dem 19. Jahrhundert der Nationalismus an die Stelle der Religion getreten und zur "säkularen Religion" geworden sei. Die unterschiedlich stark säkularisierten Staaten hätten sich aber "keineswegs als friedlicher" erwiesen.
Medien verengen den Blick
Kritisch sah Scheuer die Rolle der Medien, die durch ihre Fokussierung auf Krieg und Schrecken Gewalt vergrößert darstellten: "Friede ist nicht spektakulär genug, er lässt keine reißerischen Fotos machen." Scheuer illustrierte dies am Beispiel des Bosnienkrieges, nach dessen Ende Imame, serbisch-orthodoxe und katholische Bischöfe geehrt wurden, denen es gelungen war, durch interreligiosen Schulterschluss die Ausbreitung des Krieges in Teilen Bosnien-Herzegowinas zu verhindern. In den Medienberichten darüber "fand sich kaum eine Zeile", beklagte Scheuer.
Krieg und Gewalt, Hass und Eifersucht gehören nach seinen Worten zu den menschlichen Grundversuchungen. All das zeige sich auch in den Religionen, wie der Bischof festhielt. "Glaube und Religion sind aber nicht Ursache dieser menschlichen Tragik, sondern sie können dazu dienen, diese umzugestalten. Das ist unsere Herausforderung." Scheuer zitierte abschließend den Theologen und Begründer des "Projekts Weltethos", Hans Küng: "Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen, kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog der Religionen".
Der Dialog zwischen verschiedenen christlichen Kirchen stand im Mittelpunkt des Ökumene-Empfangs, zu dem der in der Bischofskonferenz auch den Bereich Ökumene verantwortliche Linzer Bischof und die "Pro Oriente"-Sektion Linz am Mittwoch einluden. Nach einer gemeinsamen Vesper unterstrich der Sektions-Vorsitzende, Altlandeshauptmann Josef Pühringer vor rund 50 Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen Oberösterreichs den Stellenwert der Ökumene: "Egal, wo die Menschen herkommen oder welche Sprache sie sprechen, der Geist wird auf alle ausgeschüttet. Entscheidend ist, dass wir im Lob und im Bekenntnis Gottes, egal in welchen Riten, egal in welchen liturgischen Formen und Traditionen, eins sind." Gottes Geist wirke "für alle und in allen", so Pühringer. Dem gerecht zu werden und zum Durchbruch zu verhelfen, "heißt, ökumenisch arbeiten".
Ökumenische Vielfalt in OÖ
Drei Vertreter der Kirchen schilderten beim Empfang ihre derzeitige Situation und gegenwärtige Herausforderungen: Mit Personalmangel und fehlenden ehrenamtlich Helfenden ist die Griechisch-orthodoxe Kirche laut Goran Ostojic konfrontiert. Die Gläubigen der kleinen Gemeinde sind über ganz Oberösterreich verteilt, der Gemeindepriester müsse jedes Mal aus Wien anreisen. Dennoch werde die Ökumene hochgehalten, sagte Ostojic: "Es freut uns, dass wir am 10. Juni zum ersten Mal bei der Langen Nacht der Kirchen dabei sein werden."
Pastor Alexander Strecker von der Baptistengemeinde Linz sieht vor allem die Internationalität als kennzeichnend für seine Gemeinde. Mehr als 50 Prozent der Gläubigen seien nicht österreichisch-stämmig, Gastfreundschaft spiele eine zentrale Rolle.
Superintendent Gerold Lehner von der evangelisch-lutherischen Kirche berichtete, dass sich durch die Pandemie viele Gläubige an das Zuhause-Bleiben gewöhnt hätten. Für die Wahl der Gemeindevertretung im kommenden Jahr sei es schwierig geworden, Freiwillige zu finden. "Eine Zeit lang haben wir unseren Gläubigen gesagt: Das ist nicht viel Arbeit, lass dich doch für die Wahl aufstellen. Wir werden das ändern", kündigte Lehner an. "Wir sagen: Es ist eine Herausforderung, aber wir brauchen dich." Die gute Ökumene in Oberösterreich hat sich nach den Worten des Superintendenten während der Pandemie etwa darin gezeigt, dass einige evangelische Gemeinden ihre Gottesdienste in katholischen Kirchen feierten, um die Abstandsregeln einhalten zu können.
Die aus Oberösterreich stammende ORF-Religions-Journalistin Brigitte Krautgartner berichtete beim Empfang von markanten Ökumeneerfahrungen, die sie im Laufe ihrer 30-jährigen Tätigkeit machte: von einer Versammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas in Florenz, einer Journalistenreise ins multireligiöse Sarajevo und nach Griechenland in eine kirchliche Suppenküche. Krautgartner empfahl den Gästen des Empfangs, wie im Journalismus in der Ökumene auf das Ungewöhnliche zu achten: "Bewusst auf das andere schauen, sich überraschen lassen und überlegen, was ich im anderen finden kann."
Quelle: kathpress