
Zulehner: Machtmissbrauch in Politik mit Bildungsoffensive begegnen
Die aktuelle, durch publik gewordene Chat-Verläufe ausgelöste medienpolitische Krise in Österreich ist auch eine "wertvolle Chance, über die Macht und den Umgang mit ihr nachzudenken": Das hat der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul M. Zulehner in einem aktuellen Blog-Beitrag betont. Konkret stelle sich die Frage, wie man es schafft, das "dunkle Gesicht der Macht" einzuhegen und dagegen eine "gute, dem Gemeinwohl dienende" Form der Machtausübung zu fördern. Dazu brauche es gleichermaßen einen guten, investigativen Journalismus sowie ein Mehr an politisch-ethischer Bildung in den Parteien selbst. "Es ist eine gute Zeit für eine ernsthafte moralpolitische Nachdenklichkeit, eine Art kollektiven Bußakt."
Wenn die politischen Parteien korrupte Machtstrukturen tatsächlich eindämmen wollten, so werde es nicht genügen, nur schärfere gesetzliche Regelungen zu schaffen, führte der Theologe und Soziologe weiter aus. "Es wäre präventiv noch wichtiger, die politisch-ethische Bildung in der eigenen Partei zu fördern, für die vorhandenen und die künftigen Personen, welche die Politik braucht / die in die Politik drängen."
Prinzipiell könne man zwischen einer "guten" und einer "dunklen" Form der Macht unterscheiden - wobei die Ambivalenz gerade darin liege, dass die "Versuchung zum Missbrauch von Macht" allgegenwärtig sei. "Macht bringt Teufel wie Hitler und Heilige wie Dag Hammarskjöld oder den Markgrafen Leopold hervor", so Zulehner. Ob eine demokratische Kultur gut entwickelt sei, zeige sich daher daran, "dass sie Gemeinwohl-Macht sichert und Eigennutz-Macht möglichst eindämmt und jeglichen Missbrauch von Macht möglichst unterbindet."
Hilfreich bei der Wahl der Mittel zur Eindämmung des Machtmissbrauchs könnte laut Zulehner etwa die Unterscheidung zwischen einem "Gehorsamsgewissen" und einem "reifen Gewissen" sein. Für Menschen, die stärker einem "Gehorsamsgewissen" folgten, wären klare Regeln und deren Sanktionierung wichtig, da ihr Gewissen "außengeleitet" bleibe. Ein "reifes Gewissen" hingegen sei "innengeleitet" und werde durch Persönlichkeitsbildung, politische, ethische und religiöse Bildung gefördert: "Die vielleicht wirksamste Schule für die politische Gewissensbildung ist die Begegnung mit leidenden Menschen. In diesen kann sie die für gute Machtausübung wichtige Fähigkeit zur Compassion, Empathie ausbilden." (Wortlaut des Blog-Beitrags: https://zulehner.wordpress.com/2022/11/14/vom-hellen-und-dunklen-gesicht-der-macht)
Quelle: kathpress