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Franziska Sprinzl/Kathpress

Edtstadler: Österreich "Impulsgeber gegen Antisemitismus"

Verfassungsministerin zufrieden mit Umsetzung der Nationalen Strategie - IKG-Präsident Deutsch: Situation für Juden in Österreich zumeist besser als in anderen EU-Staaten

31.01.2023

Im Kampf gegen Antisemitismus zeigt sich in Österreich eine erfreuliche Entwicklung: Die gemeldeten Vorfälle im ersten Halbjahr 2022 sind um ein Drittel zurückgegangen, dokumentiert der Zweite Umsetzungsbericht der "Nationalen Strategie gegen Antisemitismus" (NAS), der am Dienstag im Bundeskanzleramt präsentiert wurde. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nannte das Ergebnis vor dem Hintergrund vieler Krisen beachtlich und erklärte, Österreich sei im Kampf gegen Antisemitismus europaweit "Vorreiter und Impulsgeber". Dennoch gebe es "keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen", sei doch gerade bei Jugendlichen sehr wohl ein Anstieg von Antisemitismus zu verzeichnen.

 

Positiv äußerte sich auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch. Antisemitische Hassbotschaften gebe es zwar weiterhin, diese seien jedoch nicht repräsentativ für Österreich. Dies habe er erst kürzlich bei einer Konferenz mit Präsidenten der jüdischen Gemeinden in Europa erfahren, bei der das Stimmungsbild "bedrückend" gewesen sei. Europaweit sei Antisemitismus in allen Spielarten von Klischees über Bedrohungen bis hin zu physischen Angriffen im jüdischen Alltag "sehr präsent", doch sei "in Österreich vieles, wenn auch nicht alles, besser als in den meisten anderen Staaten der Europäischen Union". Dazu wesentlich beigetragen habe die Kooperation mit den Behörden sowie verschiedenste Maßnahmen zur Förderung jüdischen Lebens.

 

Wie dem NAS-Umsetzungsbericht zu entnehmen ist, gab es nach 965 von der Meldestelle der IKG erfassten antisemitischen Tathandlungen im Jahr 2021 - ein Allzeit-Rekord - im ersten Halbjahr 2022 nur 381 Meldungen, was ein Rückgang um 30 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr bedeutet. Davon entfallen 219 Vorfälle auf verletzendes Verhalten, 12 auf Bedrohungen und 7 auf physische Angriffe, die anderen Meldungen auf Sachbeschädigungen und Massenzuschriften.

 

Maßnahmen auf vielen Ebenen

 

Die Anfang 2021 vorgestellte Nationale Strategie verfolgt das Ziel, den Fortbestand von jüdischem Leben in Österreich langfristig abzusichern, Antisemitismus in all seinen Formen einzudämmen und Bewusstsein für das Erkennen von alltäglichem Antisemitismus zu schaffen. 38 Maßnahmen sind dazu vorgesehen, sie reichen von Schulungen, Forschungsprojekte, verstärkte Sicherheit und Strafverfolgung über Vermittlung im Integrationsbereich bis hin zur Dokumentation und gesamtgesellschaftliche Initiativen. Zuständig ist die Stabsstelle Österreich-Jüdisches Kulturerbe, die im Bundeskanzleramt eingerichtet wurde.

 

26 dieser 38 beschlossenen Maßnahmen wurden laut Edtstadler bereits zur Gänze umgesetzt, die anderen befänden sich in Arbeit. So wurden etwa die Ausgaben für den Schutz jüdischer Einrichtungen und zur Förderung jüdischen Lebens auf nunmehr vier Millionen Euro verdreifacht. Edtstadler nannte auch die Überarbeitung der Verbots-, Symbole- und Abzeichengesetze als erreichtes Ziel sowie die Schaffung einer Plattform zur laufenden gesamtgesellschaftlichen Abstimmung, der neben Bund, Ländern, Gemeinden, Zivilgesellschaft, NGOs, Sport- und Jugendorganisationen auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften angehören. Treffen dieser Plattform sollen künftig jährlich stattfinden, sagte die Verfassungsministerin.

 

Österreichs Vorreiterrolle in Europa sah Edtstadler darin bestätigt, dass mittlerweile 15 EU-Staaten ebenfalls eigene Nationale Strategien gegen Antisemitismus ins Leben gerufen hätten. Auch mit der in Wien stattgefundenen "European Conference of Antisemitism" sei man federführend bei den Bemühungen um europaweit vergleichbare Daten über antisemitische Vorfälle gewesen. Ausschlaggebend sei dabei nicht die Strafbarkeitsschwelle, "sondern es beginnt schon viel früher", so die Ministerin. Bewusstsein und Sensibilität für das Thema sollten weiter verstärkt werden, denn Gesetze allein seien zu wenig. Edtstadler weiter: "Unsere Vision bleibt eine Gesellschaft frei von Antisemitismus, auch stellvertretend für andere Arten, um Menschen in die Ecke zu drängen."

 

Vernetzung der Religionen

 

Im Umsetzungsbericht angeführt ist auch die Unterstützung von Projekten der Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Förderung des Abbaus von Vorurteilen und der Stärkung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts. Im Gespräch mit Kathpress lobte IKG-Präsident Deutsch die "rege Gesprächskultur", die schon seit Längerem durch die enge Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften bestehe. "Jeder versteht, dass es keinen Antisemitismus in Österreich geben darf und soll." Deshalb liefen auf verschiedensten Ebenen - mit der katholischen Kirche insbesondere in Person von Kardinal Christoph Schönborn - viele Gespräche zum Thema des Zurückdrängens von Antisemitismus.

 

Als ein deutliches Indiz für eine positive Entwicklung in der jüdischen Gemeinde und das mögliche "selbstbewusste jüdische Leben in einer vielfältigen österreichischen Gesellschaft" nannte Deutsch die Erhöhung der Mitgliederzahl der IKG Wien im vergangenen Jahr um 400. Dies sei unter anderem Ergebnis europaweit einzigartiger "intensiver Bemühungen um unsere Gemeindemitglieder" in den Zeiten der Corona-Pandemie. Älteren Mitgliedern seien Lebensmitteln gebracht und den Mitgliedern Covid-Impfungen bereitgestellt worden, doch auch der Einsatz für geflüchtete Ukrainer schlage sich in der Entwicklung nieder: 200 Flüchtlinge seien Ende 2022 der IKG beigetreten.

 

Überlegungen zu Shoah-Zentrum

 

Der IKG-Präsident brachte bei der Pressekonferenz auch den Vorschlag der Errichtung eines Wiener Shoah-Zentrums ins Gespräch, das angesichts einer immer geringeren Zahl von überlebenden Zeitzeugen des Holocaust zu einem bleibenden Gedenkort ähnlich wie Yad Vashem in Jerusalem oder dem Holocaust Museum in Los Angeles werden könnte.

 

Ministerin Edtstadler erklärte, sie sei bereit zu diesbezüglichen Gesprächen, welche es bisher noch nicht gegeben habe. Jedenfalls müssten in Zukunft alternative Gedenkformen geschaffen werden. Dass Projekte der Erinnerungskultur wie die Ende 2021 eröffnete "Namensmauer" im Wiener Ostarrichipark mit über 64.000 Namen von ermordeten Jüdinnen und Juden bereits existierten, gelte es "noch mehr hinauszutragen" - wozu auch ein demnächst veröffentlichtes Buch beitragen solle.

 

 

Quelle: kathpress

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